Bryophyllum – Faszination für Dichter und Wissenschaftler

Bryophyllum ist eine sukkulente Pflanze der Kalanchoe aus Madagaskar. Verwildert ist sie heute auch in den tropischen Gebieten von Afrika, Amerika und Asien zu finden. Einzigartig an dieser 30 – 50 cm hohen Pflanze ist die Fähigkeit kleine Brutknospen an den Blättern zu bilden (Abb. 1). Das sind kleine Pflanzen mit Blättern und Wurzeln, die früher oder später abfallen und eine neue Pflanze bilden. Daher ist Bryophyllum auch unter dem Synonym Brutblatt bekannt. Die Samen der Blüten sind hingegen wenig keimfähig (Abb. 2). In ihren Verbreitungsgebieten (Lateinamerika, Asien und Afrika) werden die Blätter der Pflanze traditionell innerlich, wie auch äußerlich angewandt, z.B. zur Behandlung von Verletzungen, Infektionen, Verbrennungen, Tumore, Abszesse, aber auch bei rheumatischen Beschwerden, Entzündungen, Hypertonie, Nierensteinen, Schizophrenie, Panikattacken und Ängsten.

Faszination für Dichter

1814 wurde das erste Exemplar nach Hannover und damit nach Deutschland gebracht, wo es weiter vermehrt wurde. Von dort gelangte 1817 ein Exemplar in den botanischen Garten von Weimar. Hier kreuzten sich die Wege mit Johann Wolfgang von Goethe, der von der Fähigkeit der Brutknospenbildung fasziniert war. Die Versuche, eine wissenschaftliche Abhandlung noch zu Lebzeiten zu veröffentlichen, blieben erfolglos. Lediglich Fragmente und Notizen schafften es in die Öffentlichkeit. 1830 schrieb Goethe als Teil seines Briefes an Marianne von Willemer (Frankfurt am Main), mit der er freundschaftlich verbunden war, ein Gedicht, das gleichzeitig Hinweise zur Pflege der Pflanze beinhaltete, und legte ein Blatt der Bryophyllum bei:

Bryophyllum

 

Was erst still gekeimt in Sachsen,
soll am Maine freudig wachsen;
Flach auf guten Grund gelegt,
Merke wie es Wurzeln schlägt!
Dann der Pflänzlein frische Menge
steigt in luftigem Gedränge.
Mäßig warm und mäßig feucht
ist, was ihnen heilsam däucht; 
Wenn Du's gut mit ihnen meinst,
blühen sie Dir wohl dereinst. 

 


Anthroposophische Heilkunde

Heutzutage wird Bryophyllum vor allem in der anthroposophischen Medizin eingesetzt: zur Wehenhemmung, aber auch bei Angst in der Schwangerschaft und Unruhe in den Wechseljahren. Somit ist Bryophyllum eine Heilpflanze der Frauenheilkunde. Bryophyllum comp. PantaVet wird bei Tieren entsprechend der anthroposophischen Naturerkenntnis zur Eingliederung verselbstständigter Stoffwechselprozesse mit hysteriformen Erscheinungen und Verstimmungszuständen eingesetzt. Diese können mit Ruhelosigkeit und unregelmäßiger Sexualfunktion einhergehen, z.B. Hysterie und Nymphomanie. Somit kann es erfahrungsgemäß bei allen übermäßigen Sexualfunktionen des weiblichen Tiers, wie z.B. bei Scheinträchtigkeit und Dauerrosse, erfolgreich eingesetzt werden.

Außergewöhnlich für Wissenschaftler

Wissenschaftler interessieren sich zunehmend für die außergewöhnlichen Wirkstoffkombinationen und Eigenschaften dieser Pflanze, die unter anderem Phenole, Phenylpropanoide, Flavonoide, Triterpenoide, Steroide, Saponine and Alkaloide enthält. Wie Chibili und Kollegen 2014 (1) zusammenfassen, konnten unter anderem folgende Eigenschaften bereits wissenschaftlich belegt werden: anti-inflammatorisch, antinozizeptiv, antidiabetisch, antimikrobiell, anthelmintisch, gastroprotektiv, antiulcerogen, hepatoprotektiv, immunmodulatorisch und immunsuppressiv. Im Speziellen zeigte ein Ethanol-haltiger Extrakt aus Bryophyllum-Blättern bei topischer Anwendung in akuten und chronisch-entzündlichen Prozessen anti-inflammatorische Effekte, möglicherweise über die Hemmung des Arachidonsäure-Zyklus (1). In einer aktuellen Studie konnten bei innerer Anwendung anxiolytische Eigenschaften nachgewiesen werden, wobei der genaue Mechanismus noch unklar ist und Fokus zukünftiger Forschungen sein wird (2).


 

Literaturhinweise

1. Chibli LA, Rodrigues KCM, Gasparetto CM, Pinto NCC, Fabri RL, Scio E et al. Anti-inflammatory effects of Bryophyllum pinnatum (Lam.) Oken ethanol extract in acute and chronic cutaneous inflammation. J Ethnopharmacol 2014; 154(2):330–8.

2. Amali MO, Atunwa SA, Aiyelero OM, Oyedotun EO. Evaluation of the anxiolytic activity of the ethanolic extract of bryophyllum pinnatum (kurz) in mice. IBRO Reports 2019; 7:39–40.

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