In 28 Tagen um die Welt? Das neue Transportalter der Kälber.

Neben grundsätzlichen Informationen zur neuen Tiertransport VO finden Sie im Folgenden Hinweise auf mutmachende Projekte zur Begrenzung des Tierleids UND wirtschaftlicher Machbarkeit für Landwirte.

Für Sie gelesen

In der Kürze des Artikels können sicherlich nicht alle Aspekte zur oftmals geringen Wertigkeit unserer Kälber ausgewogen beleuchtet werden. Daher habe ich aktuelle Stimmen und positive Denkanstöße herausgegriffen sowie einige Möglichkeiten zur antibiotikafreien Unterstützung beigefügt.

Hintergründe

Im Praktischen Tierarzt 1/2023 (Melchers 2023) erschien ein Übersichtsartikel von Viola Melchers über das Inkrafttreten der Tiertransport VO und das Mindesttransportalter der Kälber. Sie beschreibt, dass die dadurch notwendige Verlängerung der Aufzucht im Milchviehbetrieb besonders für die Schwarzbunten vor allem im Norden und Osten des Landes viele Betriebe vor riesige organisatorische und wirtschaftliche Herausforderungen stellt. Aus immunologischer Sicht sind die Kälber mit 4 Wochen noch in der „immunologischen Lücke“. In dieser sind viele Maternale Antikörper verbraucht/abgebaut, aber es ist noch keine stabile eigene Immunität ausgebildet. Dennoch seien die Kälber mit 4 Wochen natürlich deutlich schwerer als mit 2 Wochen. Sie könnten auf dem Aufzuchtbetrieb schon etwas an Gruppenhaltung und Festfutter gewöhnt werden und somit der Transport- und „crowding“- Stress und daraus resultierend die Sterblichkeit reduziert werden.

Des Weiteren beinhaltet die Transport-VO des BMEL weitere Vorgaben:

  • Bei einer Außentemperatur von mehr als 30 Grad Celsius muss der innerstaatliche Transport zum Schlachthof innerhalb von viereinhalb Stunden beendet sein.
  • Im Gegensatz zur Europäischen Transportverordnung werden dadurch national auch Transporte mit einer Dauer von unter acht Stunden reglementiert.
  • Verstöße gegen durch europäisches Recht vorgegebene Temperaturanforderungen werden künftig als Ordnungswidrigkeit auch bei Beförderungen von unter acht Stunden geahndet und mit Bußgeld bewehrt. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, Vorgaben zur Belüftung und Temperaturüberwachung von Straßentransportmitteln sowie den Transport von bestimmten transportunfähigen Tieren als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

 

Dr. C. Esfandiary vom Rindergesundheitsdienst aus dem Institut für Tiergesundheit der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Nord-West kommt in genanntem Artikel u.a. zu dem Schluss, dass das längere Verweilen sich zwar positiv auf Gewicht und Sterblichkeit im Mastbetrieb auswirkt, jedoch weitere Forschung nötig ist, um das ideale Transportalter der Kälber zu finden.

Selbstverständlich wird in der Landwirtschaft schon lange die Diskussion um die Sinnhaftigkeit und Ausführbarkeit der politischen Entscheidung geführt, verbunden mit Überlegungen zur „notwendigen“ antibiotischen Einstall-Metaphylaxe und z.B. einer frühen (Grippe) Impfung auf dem Erzeugerbetrieb. Man spricht über ca.100 € Mehrkosten für mehr und hochwertigeren MAT und die Impfung, OHNE den zusätzlichen Arbeitsaufwand, Investitionskosten (Stallung?) und ggf. notwendige Enthornung. Diese Mehrkosten werden von einem höheren Erlös für die Kälber i.d.R. nicht abgedeckt.  Zusätzlich sind gemäß der Studie PraeRi (2020) Bullenkälber in den ersten 14 Lebenstagen signifikant häufiger krank als weibliche.  Ein vermuteter Grund dafür könnte sein, dass schwarz-bunte Bullenkälber eventuell unbewusst schlechter betreut werden als weibliche, die mögliche Remonten sind.

Immunität und natürliche Stärkung

Um den Kälbern möglichst schnell beim Aufbau der Immunität zu helfen ist selbstverständlich die frühe und ausreichende Kolostrumgabe entscheidend. Hier wurde ausreichend viel geforscht und gemahnt, so auch im Nachgang der PraeRi (2020) Studie.

Es ist nicht leicht, genügend (3-4 Liter) Kolostrum schnell (möglichst in den ersten 4 h) zu verabreichen, und so geschieht es eben auch nicht immer.

Tabelle-1

Mit dem Paraimmunitätsinducer PlantaMun® von PlantaVet kann in dieser Hinsicht sehr gut unterstützt werden. Lesen Sie in unserem Kundenmagazin Plant a Vision im Artikel: „Schnell auf den Beinen“ zu wissenschaftlichen Hintergründen wie mit PlantaMun® die Anzahl der Krankheitstage und Kosten signifikant reduziert werden konnten. Ein wichtiger Punkt unter den wissenschaftlichen Aussagen ist, dass man mit einem Inducer das unspezifische Immunsystem anstößt: z.B. wird die Phagozytoseaktivität nachweislich angeregt (u.a. durch Echinacea). Somit können spezifische Antikörper „gespart“ werden. Neben PlantaMun® sind einige weitere Präparate im Programm der PlantaVet, mit denen Kälber antibiotikafrei effektiv unterstützt werden können (Abb. 1).

Hier sei als Beispiel die Omphalitis genannt, die man mithilfe von Pyrogenium comp. inject, Coffea praeparata zur Anregung der Sauglust und äußerlich mit VulnoPlant® Wundpflege-Spray oder VulnoPlant® Wundpflege-Salbe sehr gut behandeln kann.

 


Ausblick

Dem oben kurz umrissenen Dilemma zu entkommen ist vielen ein Anliegen. Es geht u.a. ums Tierwohl, den Fortbestand unserer (nachhaltigen) Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel. Die Schweisfurth Stiftung unterstützt daher ein Projekt namens Wertkalb.

Auf der Webseite von "Ökolandbau - Forschnung - Baden-Württemberg" finden sich interessante Überblick-Schaubilder, die erklären, wie man mehr Wert, oder eben Mehrwert, in diesen Produktionszweig hineinbekommen könnte.
Die Projektbetreuer haben Problembereiche aufgeführt (hier die Zahnrädchen Titel) und Entwicklungs-Ziele formuliert (darunter). Auf der Webseite stellen sie mögliche Strategien zur Umsetzung vor.

Abbildung 3

Folgende Punkte hinsichtlich Mehrwert werden genannt:

  • Reduzierung der Kälberzahl durch eine verlängerte Laktation und Zwischenkalbezeit
  • Entwicklung und Förderung von artgerechten Kuh-Kalb-Systemen (z.B. durch eine Querfinanzierung über die Milch) und von Bio-Kälbermastbetrieben (z.B. durch eine Kooperation mit Mutterkuhbetrieben)
  • Steigerung der Fleischleistung durch entsprechende Zuchtauswahl
  • Beseitigung des Transportproblems und die Förderung der Regionalität durch mobile Schlachteinheiten
  • Steigerung der Nachfrage nach Bio-Kalb- und Rindfleisch durch wertvermittelnde Marketingkonzepte, wie z.B. die regionale „Bruderkalb“-Vermarktung und durch das Angebot in der (Betriebs-)Gastronomie

Logischerweise hat viel mit dem Preis des Endproduktes Kalbfleisch zu tun, mit Verbraucherverhalten u.v.m. Auch wenn das Bewusstsein über die Sicht vom Ende her immens wichtig ist, können wir als Tierarzt*In in der täglichen Praxis meist weniger dazu beitragen, den Endverbraucher aufzuklären und uns in politische Lobbyarbeit einbringen (wobei es freilich einige tierärztlich unterstützte Initiativen gibt).

Was wir aber täglich tun, ist die Unterstützung der Gesunderhaltung der Milchkühe und ihrer Kälber, sowie manche Beratung der Landwirte dazu zu übernehmen.

Tierarzt Dr. Josef Beisl aus Niederbayern hat ein Konzept zur Kooperation der Kalberzeuger mit den Mästern aus der Taufe gehoben. Das sogenannte KAPRE Kalb (Kalb, Premium, Regional). Die dahinter liegende Idee selbst ist nicht unbedingt neu: es wird beispielsweise seit zig Jahren gesprochen, dass Kälber schon auf dem Erzeugerbetrieb geimpft/behandelt werden sollten, besser aufgezogen, kürzer transportiert und so weiter. Gescheitert ist das u.a. an den Kosten. Wer soll diese übernehmen: Züchter oder Mäster?  Und so ist zwar ein Bewusstsein da, dass die „antibiotische Metaphylaxe“ EIGENTLICH gar nicht geht, aber was tun? Insofern ist jede Initiative zur Verbesserung des Tierwohls bei gleichzeitiger Erhaltung der Wirtschaftlichkeit absolut begrüßenswert. Dr. Beisl ist „zuversichtlich, dass die Zahlen [aus dem KAPRE Projekt] seine Daten untermauern und damit einer Vermarktung die Bahn brechen, die auf mehr Zusammenarbeit zwischen Milchviehhaltern und Mäster setzt, einen Mehrwert für beide erzeugt und letztlich zu gesünderen Kälbern und einem geringeren Antibiotikaverbrauch bei den Fressern führt“.

Naturgemäß ist das Konzept bei Fleckvieh Kälbern, oder besser gesagt bei fleischbetonten Kälbern, etwas vielversprechender als bei Holsteins. Bei diesen aber erhofft sich der Tierarzt – und so schließt sich ein Kreis – eine kleine Verbesserung durch die verlängerte Aufzucht. Sein Konzept fand kürzlich Aufmerksamkeit in der Politik, und so verspreche ich mir, dass sich Fachwissen mit dem politischen Willen verbindet. Es muss gesehen werden, dass man eine Verweildauer mangels Kapazitäten auf dem Herkunftsbetrieb nicht „einfach so“ verlängern kann, denn dann wird es im wahrsten Sinne des Wortes „eng“. Andererseits sind die Kälber etwas älter auch stabiler. „Da muss man schon ganzheitlich drauf schauen“, sagte mir der Kollege – ganz im Sinne der ganzheitlichen Orientierung unseres Unternehmens.


Literaturverzeichnis

Melchers, Viola (2023): 28 Tage im Geburtsbetrieb. In: Der Praktische Tierarzt 104, 2023 (1), S. 10–11.

PraeRi (2020): Studie Tiergesundheit, Hygiene und Biosicherheit in deutschen Milchkuhbetrieben – eine Prävalenzstudie (PraeRi). Abschlussbericht, 30.06.2020, https://ibei.tiho-hannover.de/praeri/pages/69#_AB

Themen: Immunsystem